Der Erwerb von Coins – je nach Ausgestaltung auch Tokens genannt – im Rahmen sogenannter Initial Coin Offerings (ICOs) birgt für Anleger erhebliche Risiken. Es handelt sich um höchst spekulative Investments, die oft nicht der geltenden Kapitalmarktregulierung unterliegen. Wie bei den meisten Trends zieht das hohe öffentliche Interesse an ICOs auch Betrüger an. Der vorliegende Beitrag erläutert den rechtlichen Hintergrund, geht auf die Risiken von ICOs ein und enthält wichtige Hinweise für Verbraucher.

Rechtliche Grundlagen

Da das Aktienrecht auf ICOs keine Anwendung findet, müssen Tokens weder Mitgliedschafts- noch Informations-, Kontroll- und Stimmrechte enthalten. Der Anbieter kann völlig frei entscheiden, welche Rechte oder Ansprüche er den Anlegern durch die Tokens einräumt. Meist schildern Anbieter ihr Vorhaben und die Funktionsweise der angebotenen Tokens in einem sogenannten Whitepaper; gelegentlich veröffentlichen sie auch Vertragsbedingungen (Terms and Conditions). Die Inhalte dieser Unterlagen sind im Unterschied zu den Prospekten einer Aktienemission weder gesetzlich vorgegeben noch von einer Aufsichtsbehörde auf Vollständigkeit geprüft.

Zur Durchführung eines ICO ist weder eine bestimmte Unternehmensform noch ein tatsächlicher Geschäftsbetrieb erforderlich. Auch Einzelpersonen, die gar kein Geschäft betreiben, sind technisch in der Lage, Tokens anzubieten, soweit sie über Programmierkenntnisse verfügen oder diese beauftragen. Die mit einer solchen Emission verbundenen Kosten sind im Vergleich zu den Kosten einer Aktienemission verschwindend gering.

Risiken für Verbraucher

Das Fehlen gesetzlicher Vorgaben und Transparenzvorschriften für ICOs bedeutet für den Anleger ein enormes Risiko. Zum einen sollten sich Anleger der Verlustrisiken bewusst sein – auch ein unumkehrbarer Totalverlust ihrer Investition ist möglich. Tokens unterliegen häufig großen Preisschwankungen. Einige Anbieter versprechen die Handelbarkeit ihrer Tokens auf Zweitmarktplattformen oder stellen diese in Aussicht. Anleger müssen jedoch wissen, dass sie darauf keinen Anspruch haben und die Zweitmarktplattform möglicherweise nicht reguliert sind. Der Anleger allein trägt das Risiko, dass er erworbene Tokens nicht oder nur zu einem Preis wieder veräußern kann, der seinen Erwartungen nicht entspricht. Auch trägt er allein die Verantwortung für die sichere Aufbewahrung der digitalen Schlüssel (Private Keys), um überhaupt über seine Tokens verfügen zu können. Der Verlust oder Diebstahl des privaten Schlüssels kommt einem Verlust aller damit verbundenen Tokens gleich.

Typischerweise befinden sich ICO-Projekte in einem sehr frühen, meist experimentellen Stadium, so dass Entwicklung und Geschäftsmodell entsprechend unerprobt sind. Gleichzeitig sind sie so komplex, dass ein tiefes technisches Verständnis notwendig ist, um sie umfassend beurteilen zu können.

Zum anderen bergen ICO-Strukturen ein großes Potenzial für Missbrauch und Betrug. Nur Experten können anhand des zugrundeliegenden Programmiercodes (etwa des Smart Contracts) überprüfen, ob die im Whitepaper oder den Vertragsbedingungen angegebene Funktionsweise der jeweiligen Tokens zutrifft. Der Anleger trägt das Risiko, dass der Anbieter hier falsche Angaben macht. Der entsprechende Code kann zudem Programmierfehler enthalten und damit manipulierbar sein. Der Anbieter allein bestimmt den Inhalt des Whitepapers, so dass die Dokumentation meist objektiv unzureichend, unverständlich oder irreführend ist. Hinzu kommt, dass der Anbieter das Whitepaper jederzeit, also sowohl vor als auch während des ICOs, ändern kann. In vielen Fällen existieren keine gesetzlichen Verbraucherschutz-Vorgaben und keine Anlegerschutzinstrumente; der Schutz personenbezogener Daten ist nicht gewährleistet. Auch dies bedeutet für den Anleger ein hohes Maß an rechtlicher Unsicherheit.

Verbraucher sind grundsätzlich einem erhöhten Betrugsrisiko ausgesetzt, wenn der Anbieter des ICOs nicht eindeutig identifizierbar ist oder wenn sie in Systeme investieren, die außerhalb von Deutschland betrieben werden. Ansprüche gegen Token-Anbieter mit Sitz im Ausland können sie im Streitfall – wenn überhaupt – nur unter großem Aufwand und Schwierigkeiten durchsetzen. Die systembedingte Anfälligkeit von ICOs für Betrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erhöht zusätzlich das Risiko, dass Anleger ihr eingesetztes Kapital verlieren, auch aufgrund notwendiger Maßnahmen der Behörden gegen die Betreiber oder andere Personen, die in solche illegalen Geschäfte einbezogen.

Was Verbraucher tun sollten

Bevor sich Verbraucher für die Investition in ICOs entscheiden, sollten sie in jedem Fall die Identität, Seriosität und Bonität des Token-Anbieters überprüfen. Da dieser keinen Transparenzvorschriften unterliegt, sind sie dabei auf sich allein gestellt. Anleger sollten sich insbesondere über Sitz, Rechtsform, Gründungsdatum, beteiligte Personen und Kapitalausstattung des Anbieters kundig machen, wenn dieser keine Angaben dazu macht. Behauptet der Anbieter, einer ICO-spezifischen Beaufsichtigung durch staatliche Behörden zu unterliegen, so sollten Anleger dies auf den Internetseiten der Aufsichtsbehörden überprüfen. Die Registrierung einer Stiftung in der Schweiz etwa beinhaltet noch keinerlei Aussage über die Regulierung des ICOs.

Zudem sollten sich Anleger in jedem Fall vergewissern, dass sie die Vorteile und Risiken des Projekts beziehungsweise des Investments vollständig verstanden haben. Dazu sollten sie dem Emittenten so viele Fragen stellen wie nötig und dessen Angaben anhand unabhängiger Quellen verifizieren. Zudem sollten sie sicherstellen, dass die Eigenschaften des Projekts beziehungsweise Investments ihren Anlagebedürfnissen und ihrem Risikoappetit entsprechen.

Rolle der BaFin

Die BaFin entscheidet im Einzelfall anhand der konkreten vertraglichen Ausgestaltung eines ICOs, ob der Anbieter eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) oder dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) benötigt und ob er Prospektpflichten einzuhalten hat.

Tokens stellen in aller Regel Finanzinstrumente (Rechnungseinheiten) im Sinne des Kreditwesengesetzes dar. Deshalb benötigen Unternehmen und Personen, die den Erwerb von Tokens vermitteln, Tokens gewerblich an- oder verkaufen oder Zweitmarktplattformen betreiben, auf denen Tokens gehandelt werden, vorab grundsätzlich eine Erlaubnis der BaFin.

Erhält die BaFin Hinweise auf mögliche unerlaubte Geschäfte, so geht sie diesen nach und schreitet gegebenenfalls im Verwaltungswege ein. Hiervon unabhängig ist das Handeln ohne Erlaubnis strafbar. Für die Verfolgung der Straftat sind die Strafverfolgungsbehörden zuständig. Insoweit bestehen auch erhebliche Risiken für gewerbliche Anbieter von Token Sales oder Betreiber von Vermittlungsplattformen im Inland.